Der Boxer - Ein Portrait
(mit freundlicher Genehmigung der Verfasserin)
Von Renate Beinker
Wenn die Augen der Spiegel der Seele sind - dann trifft das auf den Boxer in
besonderem Maße zu. Sein ruhiges und ausgeglichenes Wesen gepaart mit einem
kraftvollen, eleganten Körperbau hat den Deutschen Boxer seit gut einem
Jahrhundert zum beliebten Familien- und Gebrauchshund werden lassen. Denn so
lange ist es bereits her, daß sich im süddeutschen Raum einige Herren mit
bewundernswert kynologischem Weitblick zur planmäßigen Zucht und Erstellung
eines Rassestandards entschlossen. Um die Jahrhundertwende tummelten sich
auf den Straßen durchaus schon Hunde mit boxerähnlichem Aussehen, weit
entfernt vom "ästhetischen Erscheinungsbild des heutigen Boxers. Plump und
o-beinig, geifernd und in unterschiedlichsten Farbschlägen - und doch
erregten diese Bierboxer, Boxdoggen oder Bullenbeißer züchterisches
Interesse. Damals schrieb der namhafte Hundeforscher und Tiermaler Beckmann:
"In den größeren Städten Deutschlands begegnet man nicht selten einer
großen, wohlgestalteten, rasch beweglichen und energischen Bulldoggenform,
welche populär meist als Boxer bezeichnet wird.
Es würde ein leichtes sein, diesselben reinrassig zu züchten". Die
engagierten Gründer des Boxer-Klub E.V., Sitz München, stellten sich 1895
dieser Aufgabe, und die Betreuung der Zucht, der Zusammenschluß der Züchter,
Helfer und Freunde ist Zweck und Aufgabe des "BK" geblieben. Der damals
aufgestellte Rassestandard übrigens hat seit 1938 keine Änderung erfahren.
Einige Legenden ranken sich um die Entstehung der Rassenamens "Boxer"- sehr
wahrscheinlich ist die Herkunft aus dem Englischen, denn Boxer bedeutet
soviel wie Kämpfer. Eine andere Namensherkunft drängt sich jedem auf, der
zwei Boxer einmal im Spiel beobachtet hat: Aufgerichtet auf den Hinterläufen
wird so mancher Haken und Schwinger ausgeteilt!
Meta und Mirzl wären stolz auf ihre Nachfahren
Nun, "Meta von der Passage", "Mirzl", "Wotan" und "Flock St. Salvator" , die
Tiere, auf denen die Reinzucht im zuchtbuchführenden Boxer-Klub München
basiert, können auf ihre Nachfahren stolz sein: Der Boxer von heute
präsentiert sich als mittelgroßer, glatthaariger, stämmiger Hund mit kurzem,
quadratischem Gebäude und starken Knochen. Die Muskulatur ist trocken, die
Bewegungen lebhaft, voll Kraft und Adel. Der Kopf weist ein harmonisches
Verhältnis von breitem Fang und Oberkopf auf, die dunkle Maske umrahmt den
Fang und die ausdrucksstarken dunklen Augen. Jeder hat schon einmal die
kleine Anekdote belächelt, die erzählt, wie der "Mann" mit der schwarzen
Maske" zu seiner charakteristischen flachen Schnauze gekommen ist.
Sie ist aber nicht so sehr Ergebnis einer wüsten Rauferei, die vor einer
Mauer endet, als vielmehr Vermächtnis der Ahnen. Jagdherren im Mittelalter
hielten neben wendigen Hunden, die die Beute aufstöberten, auch schwere,
mutige Hatzrüden, die das gestellte Wild mit kräftigen Kiefern packten und
festhielten. Diese Bärenbeißer und Saupacker besaßen einen verkürzten,
breiten Fang, einen vorstehenden Unterkiefer und zurückgesetzten
Nasenschwamm, die dem kleinen Brabanter Bullenbeißer etwa er gilt als
unmittelbarer Vorfahr des Boxers - ermöglichten, trotz festem Zubiß
weiterzuatmen. Dieser "Vorbiß" blieb als typisches Rassemerkmal des
Deutschen Boxers genetisch verankert und verleiht dieser Hunderasse das
einzigartige Gepräge.
Das Fell des Boxers ist kurz, glänzend und pflegeleicht
Das Fell des Boxers ist "pflegeleicht" kurz, hart, glänzend, besitzt aber
keine Unterwolle. Der Boxerfreund kann zwischen verschiedenen Fellfarben
wählen, die bei den "goldenen" Tönen von hellem Gelb bis dunkelhirschrot
reichen. Bei der gestromten Variante begeistern Farbschläge wie hellgelb-
oder hellgoldgestromt ebenso wie rotgold- oder dunkelrotgoldgestromt. Weiße
Abzeichen sind bei allen Farben möglich und wirken oft sehr apart. Zur
Fellpflege genügt ein Noppenhandschuh oder eine weiche Bürste und
anschließendes "Polieren" mit einem feuchten Ledertuch. Als rnittelgroßer
Hund kann der Boxerrüde eine Größe zwischen 57 und 63 cm und ein Gewicht von
über 30 kg erreichen. Hündinnen sollten laut Standard eine Widerristhöhe von
53 bis 59 cm nicht überschreiten und etwa 25 kg im Mittel auf die Waage
bringen.
Ein idealer Hund für die Familie
Doch das schneidige äußere Erscheinungsbild alleine macht die Beliebtheit
des Boxers nicht aus: "Body and Soul", Titel eines Jazzklassikers, gehen bei
diesem Hund eine bestechende Verbindung ein. Das Wesen des Boxers "ist von
allergrößter Wichtigkeit und bedarf sorgsamster Pflege", sagen die
Zuchtrichtlinien und weiter: "Seine Anhänglichkeit und Treue gegenüber
seinem Herrn und dem ganzen Haus, seine Wachsamkeit und sein unerschrockener
Mut als Verteidiger sind von Alters her berühmt ". "Sein Charakter ist
bieder, ohne Falschheit und Hinterlist". Kein Wunder also, daß er ein
geradezu idealer Familienhund ist, der Boxer ist schon fast sprichwörtlich
kinderlieb und freundlich. Wer sich nun einen solchen Hausgenossen
anschaffen möchte, sollte seinen Welpen nur bei einem verantwortungsvollen
Züchter erwerben (siehe "Steckbrief"), der ihm den kleinen Kerl im idealen
Alter von acht bis etwa zehn Wochen überlassen wird, denn mit Beginn der
Sozialisierungsphase ist die Eingewöhnung im neuen Heim am einfachsten.
Artgerechte Haltung im Rahmen der Tierschutzbestimmungen darf als
Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden, doch was ist für den Boxer "
artgerecht"?.
Konsequente Erziehung des Vierbeiners ist wichtig
Ein noch so schöner großer Garten etwa ersetzt dem temperamentvollen,
bewegungsfreudigen Vierbeiner nicht den täglichen Auslauf, der für das
erwachsene Tier mindestens eineinhalb Stunden dauern sollte. Lauf-, Spiel-
und Tobestunden sind Höhepunkte im Hundeleben. Wenn er Herrchen und Frauchen
am Fahrrad begleiten darf - ein Vergnügen allerdings nur für ausgewachsene
und gesunde Tiere - "flippt" mancher Boxer regelrecht aus. Familienanschluß
ist notwendig, reine Zwingerhaltung ließe den Vierbeiner verkümmern.
Außerordentlich sch"n findet die Samtschnauze ein kuscheliges
Schmusestündchen, dann verziehen sich die Lefzen zu einem zufriedenen
Lächeln. Doch "schlechte Karten" hat, wer sich nun vom Charme seines
Hausgenossen einwickeln läßt: Einen Boxer sollte sich nur anschaffen, wer
ihm eine liebevolle aber stets konsequente Erziehung angedeihen lassen will
und kann. Schnell hat der junge Hund sonst herausgefunden, wie er
menschliche Schwächen ausnutzen kann! Die große Lernbereitschaft des
Deutschen Boxers und sein selbstbewußtes, nervenstarkes Wesen sollten wir
uns lieber auf andere Weise zunutze machen.
Ausbildung zum Gebrauchshund und für den Turnierhundsport
Wer in seinem Boxer nicht nur den treuen Kameraden sieht, sondern ihn als
eine der neun derzeit vom VDH anerkannten Gebrauchshunderassen ausbilden
möchte, findet hierin Rat und Unterstützung auf einem der zahlreichen
Hundeübungsplätze des Boxer Klubs. Wer dort sein Tier zu einer
Begleithundprüfung führt, hat neben der Gewähr, einen gehorsamen und damit
"umweltverträglichen" Vierbeiner zu halten, auch die Voraussetzung für
weitere hundesportliche Aktivitäten, die bis zur Deutschen Meisterschaft
führen können. Die Vielseitigkeitsprüfung für Gebrauchshunde (VPG 1, 2 und
3) erfordert eine gründliche Vorbereitung mit der richtigen Mischung aus
Einfühlungs- und Durchsetzungsvermögen. In Fährtenarbeit, Unterordnung und
Schutzdienst müssen Mensch und Tier dabei beweisen, was sie erlernt haben.
Der Boxerbesitzer wird dabei sehr schnell herausfinden, daß er den
gewünschten Erfolg der freudigen Mitarbeit nur durch richtige Motivation
seines manchmal recht eigensinnigen Sportkameraden erzielt.
Die Furcht, durch die Schutzhundausbildung einen Beißer zu erziehen, ist im
übrigen unbegründet. Auch der Boxer mit einem VPG-Ausbildungskennzeichen ist
und bleibt ein zuverlässiger und ruhiger Familienhund. Fitneß und Wendigkeit
sind Voraussetzung auf dem Agility-Parcours, kein Problem für den stets zum
lustvollen Spiel aufgelegten Boxer.
"Platte Nase" kann hervorragend riechen
Daß auch ein "plattes Näschen" überaus fein schnuppern kann, zeigt der Boxer
bei der Verwendung als FH- (Fährten-) Hund beim Aufspüren einer menschlichen
Trittspur und dem Auffinden etlicher Gegenstände. Kein Wunder also, daß
diese Hunderasse weltweit im Katastrophenfall auch als Rettungshund
eingesetzt wird. Unter schwierigsten Bedingungen zeigt der Boxer hier die
gesamte Palette dessen, was an physischer und charakterlicher Kondition in
ihm steckt. Das wär' s? Nein, der Deutsche Boxer ist ein wehrhafter
Wachhund, kann bei entsprechender Ausbildung ebenfalls als zuverlässiger
Polizeidiensthund, als Blindenhund, Lawinen-, Rettungs-, Sprengstoff- und
Rauschgift-Suchhund eingesetzt werden.
Steigende Lebenserwartung
War noch vor 35 Jahren der Boxer mit sieben oder acht Jahren am Ende seines
Hundelebens angelangt, so hat sich seitdem erfreulicherweise seine
Lebensspanne deutlich verlängert: Die durchschnittliche Lebenserwartung
liegt bei neun bis 12 Jahren. So mancher um die Schnauze grau gewordene
Veteran bringt es sogar auf 14 Jahre. Zum vollständigen Portrait der
Boxerrasse gehört aber auch der emotionale Gewinn, den diese sensiblen
Rabauken "ihren" Menschen schenken. Bei jeder Begrüßung überschäumende
Freude, die sich in Prusten und Schnaufen äußert. Und ein liebevoller "Kuß"
auf die Nasenspitze ist keine Seltenheit. Weit entfernt scheint in solchen
Momenten die jagdliche Verwendung der doggenartigen Vorfahren. Die positiven
Seiten aber der alten "Bullenbeißerart"' sind noch immer vorhanden:
Zuverlässigkeit und Mut, Härte und Belastbarkeit, .im Zusammenleben mit dem
Menschen Anhänglichkeit. Treue und Schutztrieb schätzen Boxerfreunde seit
mehr als einem Jahrhundert.